Aber erst noch 1…
Vorwort
Wie dumm ist es eigentlich, zu einem mit „prolog“ betitelten Text ein Vorwort zu schreiben? Frage für einen Freund…
How auch ever, ein Trauerfall in se Familie hat mich davon abgehalten, meine Story von letzter Woche fortzusetzen. Part Two davon kommt (no pun intended!) dann halt später mal.
Heute gibt es also nochmal ein älteres Geschreibsel, welches den Einstieg in mein schonmal erwähntes Kleinkunstprogramm bildet. Und weil das Geschreibsel so kurz ausfällt, packe ich noch das darauffolgende Lied dazu.
Nebenbei, wenn mich jemand für einen Kleinkunstabend buchen will…
[prolog]
„Es ist zum Kotzen!“
Völlig entnervt zerreiße ich das nur halb beschriebene Blatt, zerknülle es zur Sicherheit um es dann in einem seltenen Anfall von Akribie ganz langsam in noch kleinere, kleinstmögliche Schnipsel zu zerlegen.
Seit einigen Tagen schon versuche ich, etwas Brauchbares zu Papier zu bringen. Ein offenbar ebenso vergebliches Unterfangen, wie mich an die Anzahl für ungenügend befundener Entwürfe zu erinnern. Ich denke ernsthaft darüber nach, den Inhalt des Papierkorbes zu Rate zu ziehen, um dann mit gebührendem Stolz notieren zu können: 41!
Einundvierzigmal bin ich an einem winzigen Text gescheitert.
41? Ich mag diese Zahl nicht. Vor allem nicht in diesem Zusammenhang. Sie entspricht zwar exakt der Anzahl der Jahre, die seit dem unfreiwilligen, nicht selbstgewählten Beginn meines Daseins vergangen sind, doch selbst wenn dieser numerischen Kongruenz etwas anderes zugrunde läge als pure Koinzidenz, tröstlich wäre das mitnichten. Die einzige Deutung, zu der sich mein überstrapazierter Geist fähig sieht, äußert sich in der mit pontifikaler Stimme durch meinen Kopf dröhnenden Erkenntnis:
„Jedes Jahr Deines Lebens war EIN Versagen!“
Es klingelt an der Tür.
Auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, ich muss wohl so etwas wie „Ja?“ gesagt haben, denn ich vernehme die verschüchterte Stimme meiner Nachbarin.
„Ähm, ist… ähm, ist alles in Ordnung bei Ihnen?“
„Ja, wieso?“
Noch bevor ich eine Antwort erhalte fällt mein Blick auf den Papierkorb in meinen Händen, und allmählich kehrt die Erinnerung zurück.
In meiner Verzweiflung über mutmaßlich 41 Zeugnisse meines Versagens habe ich wohl für einen Moment die Beherrschung verloren. „WARUM NICHT 42?!“, höre ich mich den wehrlosen Papierkorb anbrüllen.
Ich stammle irgendwas wie „Tut mir leid“ und „kommt nicht wieder vor, Frau Bla-bla-bla“ und bin fest davon überzeugt, dass sie mich erröten hören konnte.
„WARUM NICHT 42?!“ hallt es wieder, diesmal aber nur durch meinen Kopf.
Ja, warum eigentlich nicht 42?
Wer Douglas Adams kennt kann nachvollziehen, weshalb ich eine „42“ der „41“ vorzöge. Nie wäre ich der Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest näher gewesen, hätte mit 42 glücklich sterben können und müsste nie wieder an 41 erfolgslosen Versuchen, einen winzigen Text zu schreiben, verzweifeln.
Es klingelt schon wieder.
Diesmal aber ist es der Alarm meines Mobiltelefons, der mich mit einem Ruck ins Hier und Jetzt befördert. Noch eine Stunde bis zur Premiere. Eine nie gekannte Panik legt jeden Gedanken lahm. Für den Bruchteil einer Sekunde erwäge ich, dem Veranstalter abzusagen, auszuwandern, mich in eine andere Spezies zu verwandeln.
Da ich für das eine zu feige, das andere zu knapp bei Kasse bin, und mir für das letzte die wohl notwendigen gottgleichen Fähigkeiten fehlen, betrete ich eine halbe Stunde später die Garderobe der Kleinkunstbühne.
Eine halbgeleerte Wasserflasche, diverse vor Aufregung nicht verzehrte Häppchen und die bereitliegende Bühnenkleidung erinnern daran, dass ich heute Vormittag schon einmal hier war.
Erst jetzt fällt mir das Plakat an der Tür auf. Es ist immerhin im Format A4 und aus Kostengründen gleich noch das Programmheft, das in Ermangelung zu nennender Mitwirkender stattdessen die Szenenfolge des Abends beinhaltet. Meines Abends…

Ich starre auf die erste Zeile.
„PROLOG“
„Ich habe keinen verdammten Prolog!“, knurre ich das Plakat an. Nicht einen von 41!
Das Saallicht wird gedimmt und ich schleiche mich vom Eröffnungseinspieler verdeckt auf die Bühne.
Im Aufblenden der Bühnenbeleuchtung sehe ich einige Zuschauer, die mit einem letzten Blick auf die Szenenfolge das Programmheft auf den leeren Platz neben sich legen.
Ein kurzes Räuspern, welches meine Stimme noch belegter klingen lässt und ich krächze „Guten Abend!“
Aus dem Publikum vernehme ich eine schüchterne Antwort.
„Guten Abend.“
Es ist… meine Nachbarin.






Der Schritt
Mit ’nem Kaffee in der Hand auf dem Balkon
Der Himmel blau, die Sonne lacht mich davon
Die Winterstarre in meinen Knochen, kämpf mit mir schon seit Wochen
Es muss jetzt endlich was passier’n
Der Augenblick steckt fest im Fluss der Zeit
Bring mich in Position, halte mich bereit
Hab wieder mal vorbeigeschossen, das Ziel davongeflossen
Unbeweglich bleib ich festgelebt
Ein Schritt, nur ein Schritt
Scheint gar nicht so schwer, ist alles was es braucht
„Kein Blick mehr zurück“
Ist leider nicht so leicht, wie es sich sagt…
Ich starre aufs Papier, die Zeit verrinnt
Kann immer noch nicht sehen, was beginnt
Der Puls der Stadt, zu schnell und kalt, neben mir die Frau, schon alt,
Scheint das nicht zu stör’n
Ein Schritt, nur ein Schritt
Hab ich denn eine Wahl, auch wenn die Angst mich packt
Kein Blick mehr zurück
hinter der Nacht seh‘ ich das Morgenlicht
Im Baumeln ihrer Beine steckt die Jugend, die mir fehlt
Ein kurzer Blick, ein Lächeln, als sie wortlos weitergeht
Ein Schritt, nur ein Schritt…
Kein Blick mehr zurück…
Ein Schritt, noch ein Schritt
Weiter, immer weiter, Stück für Stück
Ein Blick noch zurück
Erst dann kann ich sehen, was vor mir liegt
Schritt für Schritt…
© 2015-2020 albert sadebeck
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