Ist das jetzt ein Ausdruck der… Erleichterung, ein müdes Bitten um Ruhe oder gar der Hinweis darauf, dass in meinem Leben nichts erinnerungswürdiges passiert(e)?
Heute keine Erinnerungen
Ich nehme es erstmal als Versprechen. Heißt nämlich, heute nervt mich niemand mit Steuererklärungen, sozialen Verpflichtungen, Plänen für Aktivitäten jedweder Art, ich kann einfach meine Urlaubsruhe genieß-
Wwwh!
Was zur Hö-?
Wwwh!!
Die SnobWatch vibriert.
„Keep it going
SnobWatch
You set a new Move streak yesterday.
Don’t let it end today.”

Danke, SnobWatch! Nichts erfüllt mich mehr mit Glückseligkeit als Deine dezenten Hinweise darauf, dass ich heute noch nicht aktiv genug war und meinen fetten Arsch* bewegen sollte. Ich muss ja unbedingt alle Activity Rings closen, sonst bin ich ein schlechter Mensch, unproduktiv, zu fett und gar nicht gesundheitsbewusst.
*)
und mit „fetten Arsch“ meine ich „faulen Hintern“. In einer früheren Version wurde „Arsch“ schriftlich gepiept, was so aussah: „A***h“
Fand ich aber doof. Muss mich ja nicht selbst zensieren.
Außerdem hoffe ich, dass sich ein paar an dem Ausdruck „fett“ als Synonym für „faul“ stören. Bodyshamimg ist schon bekloppt, aber Fatshaming ist noch dämlicher. Also, wenn Ihr Euch dabei ertappt, Euch über dicke und/oder übergewichtige Menschen (inkl. Euch selbst!) lustig zu machen, hört einfach damit auf. Bitte…
Um siebenuhrfünfundzwanzig!
„Du hast heute keine Erinnerungen“
Ich beschließe, diesen Satz sehr cool zu finden. Wer würde nicht gerne auf die Erinnerung an besonders schmerzhafte, demütigende, peinliche Momente seines Lebens verzichten? Nehmen wir mal den Moment, als mir die Haare abgeschnitten wurden, weil ich aus dem Kindergarten Läuse mit nachhause brachte. „Du hattest früher so schöne Locken… (seufz)“
Was soll man auf einen solchen Satz denn antworten, „Ich war 4 und hasste meine Locken so sehr, da hab ich Tilli im Kindergarten gefragt, ob sie mich mit ihrem Dealer in Kontakt bringen kann, ich bräuchte mal so zwanzig Läuse, damit mir meine Haare abgeschnitten und dann der Kopf noch mit diesem widerlichen Antiläusegedöns eingeschmiert werden/wird/gewordenseingehabtgetutet“?!
Zum Glück habe ich ja heute keine Erinnerungen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich mir das Knie aufgeschlagen habe. Welches Knie und wann? Äh… hm. Weiß ich auch nicht mehr, nur so ungefähr das Alter. Mein Bruder holte mich vom Kindergarten ab und ich konnte vermutlich schon sprechen, ganz sicher aber heulen wie ‘ne Boje. Der Heimweg zu Fuß war für einen kleinen Stöpsel im Alter von… 4 oder 5 Jahren (?) schon beachtlich und so auch die Fähigkeit des kindlichen Gehirns, die vermutlich durch einen Sturz erlittene Schürfwunde zu verdrängen. So ging es also einigermaßen gut gelaunt nach Hause, bis…
Zehn Meter von der Haustür entfernt und im Vollbesitz seiner geschwisterlichen Gemeinheit sagt mein Bruder: „Du blutest da am Knie.“
„Wuuuuuuuääääääähhhhh!“, plärrte Le Petit Albert durch die ganze Straße und veranlasste meinen Bruder, mich schnell zur Haustür hineinzuschieben, immerhin wohnten wir direkt gegenüber der Polizei!
Du, lieber Bruder, wirst dich auch heute noch diebisch freuen, ich hingegen habe…
Heute keine Erinnerungen
Was ich nicht verstehe: Wieso erinnere ich mich dann plötzlich an solch peinliche Dinge? Jaja, das ist doch alles nicht schlimm, weil damals als Kind und so, da passiert das ja schon mal, aber trotzdem: Warum meint die bekackte SnobWatch, ich müsse jetzt auch noch aufstehen?! Und warum mache ich das auch noch, ich dachte „heute keine Erinnerungen“?!
Und jetzt könnte es fast lustig werden, denn ich habe ernsthaft keine Erinnerung daran, wo ich meine Kaffeetasse abstellt habe. Hier auf dem Schreibtisch jedenfalls nicht. Moment, bitte…
Auf der Hausbar. Ich habe die Kaffeetasse auf der Hausbar stehen lassen und frage mich nun:
Ist das ein Hinweis meines Unterbewusstseins?!
Die Snobwatch jedenfalls hat mich verarscht. Eigentlich zählt sie neben Burned Calories („Move“) und Exercise Minutes („Exercise“) auch noch, wie oft man (als Fitness App gesteuerter Neuzeitmensch) über den Tag so aufgestanden ist („Stand“). Mit dem GANZEN Körper, Leeeeute! Was Ihr wieder denkt…
How auch ever, ich bin also aufgestanden und rumgelaufen, hab dabei meine Kaffeetasse so abgestellt, dass ich ein zweites Mal innerhalb der letzten zwanzig Minuten aufstehen musste und was macht die SnobWatch? Sie notiert es einfach nicht. Sie erinnert sich nicht daran. Sie hat keine Erinnerung daran, dass ich eben gestanden habe.
Und ich frage Euch:
Muss ich mir das gefallen lassen?
Für den Einkauf habe ich so eine Liste auf’m SnobPhone. Ist eigentlich ganz praktisch, weil ich die Liste so nicht immer neu schreiben muss. Einfach bei den fehlenden Dingen das Häkchen entfernen und dann beim Einkauf wieder abhaken. Ihr seht, mein Einkaufsprofil ist wenig vorhersehbar.
Warum ich das erwähne? Na ja, da steht halt noch „Kaffee“ unabgehakterdings drauf.

Obwohl ich Kaffee gekauft habe. Meine Go-To-Biokaffeesorte gab’s nicht, also dachte ich „Probiers’de mal was. Was… anderes.“ und kaufte Kaffee in eingetütet und zum Aufbrühen und so. War aber gar nicht eingetütet und zum Aufbrühen. Aus dem Karton kamen nämlich…
Kapseln!
GesichtspauseTM
Wo ich doch so viele HighPressureXtremeKaffeemaschinen habe, für die man Kapseln braucht. Zu meiner Verteidigung: Auf der Packung stand nix zur Zubereitung. Hätte mich stutzig machen sollen, I know, aber nun hab‘ ich den Salat.
Also, nicht Salat, sondern komische HighPressureXtremeKaffeemaschinenkapseln, but you get my point.
Ok, das erklärt noch immer nicht, was „Kaffee“ auf ‘ner SnobPhone-Einkaufsliste mit „Heute keine Erinnerungen“ zu tun haben könnte, aber wenigstens kann ich so die zum Thema gehörenden Fotos einbauen, ohne dass das vollkommen random wirkt.


Und genau deswegen kommen hier:
Random pics, yaaay!











Heute keine Erinnerungen
Natürlich habe ich Erinnerungen.
An Erlebnisse, die ich lieber nicht erlebt hätte.
An Menschen, die mir Gespräche schuldig geblieben sind.
An Menschen, denen ich Gespräche schulde(te).
Erinnerungen, die schmerzen.
Nur eben… heute nicht.

Chaos
Hab verloren schon vor Jahr’n
kommt mir vor wie Ewigkeit
weiß nicht warum Dinge sind
wie sie eben sind
Geb mich nicht auf
widersteh’ dem dunklen Sog
„Vergiss was war, verkriech dich nicht im Gestern.
das Leben geht weiter, immer weiter.“
Suche endlos, Frage nach dem Weg.
Zugleich vertraut und unbekannt –
das Ziel.
Geb mich nicht auf, erstick am Selbstmitleid.
Widersteh’ dem dunklen Sog
Geb mich nicht auf doch dieses Chaos in mir
ist Feuer und Eis, das mich verbrennt.
Kein Berg zu hoch , kein Weg zu weit.
Alles möglich, oder vielleicht umsonst?
Das Meer, das mich ertränkt, unendlich
ewig das Eis, das mich verbrennt, das mich verbrennt…
Geb mich nicht auf, erstick am Selbstmitleid.
Widersteh’ dem dunklen Sog
Geb mich nicht auf doch dieses Chaos in mir
ist Feuer und Eis, das mich verbrennt.
das mich verbrennt
das mich verbrennt
Hab verloren schon vor Jahr’n…
© 2020 albert sadebeck
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