Was bisher geschah:
Ich habe mich entschieden. Ja, ich werde eine furiose Karriere als Kleinkünstler hinlegen. Als erstes brauche ich natürlich ein Programm, welches die Veranstalter und Agenturen geradezu danach lechzen lassen wird, mich engagieren zu mü-, äh… dürfen. Doch wer sollte mich in dieser Kleinstadt, welche ich aus purem Selbstschutz nicht beim Namen, sondern schlicht „Stinkytown“ nenne, engagieren wollen?

Für wohltätige Zwecke veranstalten ja viele Leute ein sogenanntes Benefiz. Da kommen Leute, geladene Gäste und kaufen Tickets zu horrenden Preisen, irgendwer spielt zur Unterhaltung auf und verzichtet bestenfalls auf die Gage und wenn’s gut läuft, werden noch Häppchen gereicht. Warum also nicht einfach ein Benefiz zu meinen Gunsten veranstalten?
Es ist 20:00 Uhr, ich verlasse meinen Platz an der Kasse, gehe auf die Bühne und improvisiere mich durch die Show.

Das Publikum ist zwar zahlenmäßig nicht so stark wie erhofft, mir aber sehr wohl gesonnen, bei bester Laune und… durstig! Auch ich kann eine kleine Pause ganz gut gebrauchen und so finden wir uns ca. 41 Minuten und 35 Sekunden später auf dem Hof bei diversen Getränken und ja, auch der einen oder anderen Zigarette im entspannten Gespräch wieder.
Das Schicksal scheint das auch bemerkt zu haben, denn es ist wohl der Meinung, der Abend laufe Gefahr, an Spannungsarmut zugrunde zu gehen. Da lässt es sich nicht lumpen und übernimmt mal kurz die Regie, in dem es eine neue Szene mit neuen Figuren einfügt.
Zwei Männer betreten das Areal, einer groß und kräftig, mit schwerem Aktenkoffer bewaffnet, der andere etwas zierlicher. Beide kommen direkt auf mich zu und ihr Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens aufkommen.
„Herr Kleinkünstler, Sie wissen, weshalb ich hier bin?“, sagt der Große.
Natürlich weiß ich, weshalb der Mann da ist. Ich bin pleite, nicht blöd!
„Ja, äh… weshalb sind Sie denn da?“, antworte ich nicht sehr überzeugend.
„Sie haben BLABLABLA, Sie schulden Ihrem Vermieter den Betrag BLABLABLA, ich habe hier eine Verfügung BLABLABLA und muss jetzt Ihre Einnahmen BLABLABLA.“
„Oh, wie schön! Eine klasse Gelegenheit mal die Einnahmen des Abends zu checken!“ ist nicht das Erste, was mir durch den Kopf geht.
„Alter, in der PAUSE?!“, denke ich und habe sofort das Bedürfnis, eine Flasche Whisky zu suchen, zu finden und direkt zu leeren.

Statt Whiskyrausch setzt aber erstmal Ernüchterung ein. Insgeheim hatte ich ja gehofft, dass die Kasse besser gefüllt sei…

ist sie aber nicht.
Der Gerichtsvollzieher verabschiedet sich und mir lässt mir freundlicherweise genügend Geld in der Kasse um, wenn schon keinen Umzug, so doch wenigstens die Brötchen für das Wochenende bezahlen zu können. Ein doppelter Whisky muss aber dennoch sein, denn die Pause ist schon deutlich länger geworden, als allen lieb sein kann und ich will endlich wieder auf die Bühne!

Einige Stunden später liege ich in meinem Bett und lasse den Abend noch einmal Revue passieren. Und ich bin stolz auf mich, denn irgendwie habe ich nach der Pause weitergemacht, als wäre nichts gewesen. Am nächsten Morgen erspare ich mir allerdings den Blick in die Geldbörse, denn auch der hätte zu diesem Abend kaum etwas anderes zu sagen denn:
„Als wäre nichts gewesen“

© 2019-2020 albert sadebeck
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