Ein ArbeitsVermeidungsMoment


AAAAAAAAARRRGH! – Teil 2

Sieben Uhr.

Ich muss ernsthaft sieben Uhr in der Gemeindeverwaltung Dorf-in-der-Nähe-von-Stinkytown antanzen. Nach außen demonstriere ich Gleichgültigkeit. Mein Inneres fühlt sich von der bösen, bösen Welt furchtbar ungerecht behandelt, es ist ein Akt staatlicher Willkür, mich zum Dienst zu einer unwürdigen Uhrzeit zu zwingen. Sofort plane ich eine Revolution, die mich von der Qual des Fünfuhrdreißig-aufstehen-müssens für alle Zeit befreit und-

„Das is‘ dorr Enriggo, mit dem gehs’de mal mit, der sacht Dior, was’de tsu duhn hasst.“

Die Stimme von Frau Schreibtisch reißt mich aus meinen revolutionären Gedanken. Dorr Enriggo steht vor mir und mich beschleicht das Gefühl, das frühe Aufstehen wird die nächsten Tage und Wochen bis zu meiner Versetzung (wohin eigentlich?) mein geringstes Problem. Dorr Enriggo hat ‘ne ABM und ist nämlich sichtlich erfreut, nicht mehr die unterste Ebene der hiesigen Hierarchie repräsentieren zu mü-, äh… dürfen. Dorr Enriggo ist jetzt endlich auch ein Chef, und zwar meiner.

Ich folge also pflichtbewusst… nein, das wäre gelogen – ich folge also in Ermangelung anderer Optionen dem Enriggo zu irgendeinem Schuppen auf dem Gelände dessen, was hier einen Bauhof darstellt. Frau Schreibtisch hat sich für uns eine echt krasse Challenge ausgedacht. Ein Stapel Backsteine muss von einer Ecke des unebenen Geländes in die andere gebracht werden. Als Transportfahrzeug steht uns eine Schubkarre zur Verfügung. Der halbwegs begehbare Trampelpfad, auf dem wir uns zumindest hintereinander bewegen können, ist sogar frei von Brennnesseln. Dorr Enriggo ist richtig großzügig und lässt mich die überhaupt nicht überladene Schubkarre fahren, der Vorderrad so gerne aufgepumpt würde, aber eben nicht mehr aufgepumpt werden kann. Leider haben die Damen und Herren aus der Gemeindeverwaltung Dorf-in-der-Nähe-von-Stinkytown keine Ahnung, keine Lust oder welchen Grund auch immer, einen neuen Schlauch oder wenigstens Flickzeug zu bereitzustellen.

Macht Euch keine Illusionen, das ist nichts Geringeres als eine Schlacht, ein Kampf des Willens, meine Standhaftigkeit gegen Enriggos ABM-Power und natürlich…

…gewinne ich diesen Kampf! Mit unbeeindruckter Miene schiebe ich die Plattfußkarre über den rumpeligen Weg in die andere Ecke des Geländes, wo dorr Enriggo schon auf mich wartet. Dorr Enriggo hat allerdings keine Schauspielerfahrung, weshalb er seinen Frust über das Ausbleiben meines Gemeckers oder mindestens einer übellaunigen Miene nicht so gut verbergen kann wie ich mein inneres Grinsen ob seiner Enttäuschung. Ich beschließe, die Kirche im Dorf zu lassen (haha, witzig, ne, nicht wirklich) und die Revolution noch einmal zu vertagen. Vielleicht wird es ja doch noch ganz witzig mippm Enriggo

…der jetzt das Game upsteppt und die anspruchsvollen Tätigkeiten auspackt. Spätestens jetzt wird klar, dorr Enriggo glaubt also, endlich jemanden für die Arbeiten gefunden zu haben, die er vermutlich seit Beginn seiner ABM erledigen sollte. Next up: Baugerüst in den Schuppen räumen.
So ein Baugerüst schockt mich nicht, habe ich doch die letzten drei Jahre fast nichts anderes gemacht, als sechs bis acht Stunden Bühnenkonstruktionen und Beleuchtungsgedöns aus Stahlrohr aufzubauen, um dann auf selbigen Bösewichter zu spielen, um danach den ganzen Prassel wieder abzubauen. Zugegeben, nicht jeden Tag und nicht mal jede Woche, aber ich war einigermaßen trainiert.
Dorr Enriggo zeigt also auf einen Stapel Gerüstgedöns und sagt:

„Pack’me jetze in ‘n Schuppm.“

„M’kay.“, gebe ich zurück und nehme ein Gerüstteil auf die linke und eine weiteres auf die rechte Schulter. Dorr Enriggo ist schon mit einem zirka 2 Meter langen Rohr vorwegmarschiert und im Schuppm verschwunden.
Ein paar Minuten geht das so weiter, bis dorr Enriggo stehen bleibt. Er guckt mich an und man kann auf seinem Gesicht die Stufen der in ihm ablaufenden Datenverarbeitung ablesen.

*Krrrck – Störung im Arbeitsablauf*
*krr-krrrk – *
*krr-krrr-kr-krrrck*
*krrrrk – Was macht der Zivi da?!*
*krrk-krrr*
*kkrkrkkkkrkrkkr-krrrk – ALARM! ALARM! ALARM!*

Gespannt schaue ich ‘n Enriggo an, als er unter Aufbringung all seiner rhetorischen Skills sagt:

„Nimma immor nuor eins, de Orrbeid muss bis Mittach reich’n.“

Ok, darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich verstehe Arbeit, die gemacht werden muss, nämlich so: Man macht die, die Arbeit, und wenn man die gemacht hat, macht man was anderes. Klar, wenn’s blöd läuft, muss man noch was anderes arbeiten. Trotzdem, so ein Gefühl von Zufriedenheit entsteht nicht, wenn man Arbeit unnötig in die Länge zieht.

Dorr Enriggo hingegen ist wohl doch nicht in einer ArbeitsBeschaffungsMaßnahme, sondern in einem ArbeitsVermeidungsMoment gefangen. Ich kann das verstehen, Arbeit ist eigentlich auch nichts für mich, schon gar nicht so ein Unfug wie Backsteine mit ‘ner Plattfußkarre durch die Gegend rumpeln oder Gerüstteile von A nach B schleppen.

Weswegen ich damit fertig werden will! Und dorr Enriggo hat Angst, dass Frau Schreibtisch oder ihrem treuen Gefährten, dem Mann-mit-allen-Schlüsseln, noch irgendeine neue Orrbeid einfällt?
Vergiss es, Enriggo! Ich hab auch keine Lust, hier zu sein, aber ich werde bestimmt nicht die langweiligsten Arbeiten auch noch in die Länge ziehen!


Im Gegensatz zu dieser Story, die einfach nicht enden will. Deshalb…

Fortsetzung folgt!


© 2021 albert sadebeck


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