Määäääääääääääh
Mäh
Määäääääääh
(Kopierst du grad den Einstieg vom Kleinkünstler gestern?
Ja, aber ist ’n anderes Tier?!
Alter das geht ja gut los…
Klappehirn)
Määäääh
Boar, kann dieses Schaf mal ruhig sein. …. maaaaaan.
Sie atmete tief durch. Der Kurze sollte endlich schlafen. Ihr wohlverdientes Abendprogramm, für das sie eh bereits zu müde war, sollte starten, sobald er endlich-
Määääääh
Ooooar.
So würde das nie was werden. Sie war viel zu wütend. Ihr Kind viel zu empfindlich für ihre geballte Ungeduld. Sie schnaufte und zwang sich zur Ruhe. 5 Sekunden einatmen, 5 Sekunden Pause, 5 Sekunden ausatmen, 5 Sekunden Pause. Mental strich sie ihr Abendprogramm… blieb sie halt heute wieder mit liegen, dann war es auch egal, WANN sie hätte aufstehen können.
Mäh.
Fast war er eingeschlafen. Im Halbschlaf zuckte er zusammen. Sie atmete mit zusammengebissenen Zähnen. 5sekundenein 5sekundenpause 5sek
Määäh
Diese gottverdammte schei…
Määääääääääääääh.
Woooozaaaa. Seit 3 Tagen war die Wiese an den örtlichen Schäfer verpachtet. Seit 3 Tagen bekam sie das Kind nur noch mit Müh und Not in den Schlaf. Zu aufgeregt schaute er aus dem Fenster und beobachtete die Wattewölkchen auf seinem üblichen Spielplatz. Sollte Schäfchen zählen nicht eigentlich müde machen?!
Määääääääh
Ok. Dieses Exemplar war besonders nervig. Sie formulierte mental die Vertragskündigung.
„Sehr geehrter Schäfer, Ihre verfick*** Schafe können ihre Fre*** nicht halten, daher stellen Sie sie dieses Jahr verdammt nochmal vor Ihr eigenes Fenster. Bitte. Noch eine Nacht ohne DaidaiTM hält hier niemand aus…“
Sie hielt inne. Nacht. Die letzten 3 Nächte verstummten die Lämmer bei Dunkelheit.
Sie sah auf die Uhr. 22:34 Uhr. Das Licht schwand. Das Mäh jedoch blieb.
Mist.
Sie wurde erneut unruhig. Es war nun nicht mehr egal, ob sie liegenblieb. Der Kurze sollte sollte nun wirklich dringend schlafen, denn in ihr erwachte der Drang, nachzusehen. Sie vermutete nun-
Määääääh.
Ein Problem hinter dem Mäh. Eines, das offenbar bisher unbemerkt schien. Es lag also an ihr, für das Wohlergehen zu sorgen. Das schwindende Licht kam ihr in den Sinn. Sie brauchte eine Taschenl-
Määääääh.
Endlich störte sich der kleine Kerl nicht mehr an dem Ruf des Schafs. Ruhig und gleichmäßig tief schnaufend lag er in ihren Armen und ließ sich wie Pudding vorsichtig zur Seite schieben. (Pudding? Könnten wir mal im Kühlschrank –
Määäääääääääääh mäh mäh mäh määäähääääh.
Sie zog sich trotz der milden Nacht eine Jacke über. In Kombination mit der kurzen Schlabberhose und den lila Gummistiefeln sah sie aus, als würde sie sich aus der Kleiderspende bedienen. (Ihre restliche Garderobe sprach auch keine Argumente FÜR sie aus.) Sie bemerkte nicht, wie wild sie gekleidet war, sondern hechtete in großen Schritten zur Weide. Die Taschenlampe hatte sie in der Eile vergessen, also musste ihre Telefonlampe herhalten. Die Schafe schienen ruhig und unbekümmert. Sie war verwirrt. Sie hatte doch eindeutig-
Määäääääääh
Da. Da war es wieder. Aber wo? Es war keines „ihrer“ Schäfchen. Sie schlich vorsichtig am Zaun entlang, um Unruhe zu vermeiden.
Mäh
Kläglich wehte es zu ihr herüber. Nun rannte sie beinahe und sprang mit einem Satz über den Bach (äh, so langsam wissen die Leute wo du wohnst… Hm klar. Ne Wiese mit Schafen und ’nem Bach dran. Wow. Präzise.)
Zu ihrer Überraschung landete sie in Brennnesseln. Autsch. Aber auch der kleine Zaun war neu. Ein halbhoher Elektrozaun knackte beharrlich in die Dunkelheit. Sie kniff die Augen zusammen. Irgendwo hier…
Und dann sah sie es. Eine Hand voll Ziegen stand dicht zusammengedrängt im Dickicht. Brennnesseln, Büsche, niedrig gewachsene Pflaumenbäume, die Natur schien die Herde genauso zu umarmen, wie sie ihren Sohn noch vor kurzem im Arm hielt. Schützend. Behutsam. Als sie sich näherte, stoben (stuben, stieben… wasn das überhaupt fürn Wort) die Ziegen auseinander. Alle bis auf zwei. Eine grauweiße, große Ziege hing mit ihrem Halsband nahe eines Baumstumpfs fest. Ihr Junges, mit schwarzen Tupfen, lag ebenfalls regungslos neben ihr. Määh.
Ein verzweifelter Ruf. Eine Mischung aus Panik und Hoffnung. Angstvolle, große Augen blickten dem grellen Lichtkegel entgegen.
„Wo zum Donnerwetter hängt ihr fest?“
Sie leuchtete die Umgebung ab. Von Meter zu Meter wurde sie wütender. Müll, Stricke, Tüten, Überreste von alten Zäunen, Latten, rostige Nägel und Scherben überall.
Die beiden Unglückszicklein hatten sich in Draht und Kabeln, einem Überrest Stromnetz und einem Gewirr aus dünnen Dachlatten verfangen. Der Versuch, sich zu befreien, ging nach hinten los. Ein unnachgiebiges Kabel zog sich durch ihr wildes Zappeln Stück für Stück zu und strangulierte die Mama-Ziege. Sie atmete flach und angestrengt.
Määääääh. Klagte ihr Junges.
Ihr Kopf ratterte auf Hochtouren. Sie schaltete die Lampe aus und wählte im Dunkeln die Festnetznummer ihres Zuhauses. Das Klingeln würde zu 70% ihr Kind wecken, aber alleine würde sie die scheuen Tiere nicht befreien können.
„Mama, zieh Gummistiefel an, hol ne Taschenlampe und ne Zange, spring beim Steinübergang übern Bach und bring Jodlösung mit.“
Ohne Gegenfrage legte ihre Mutter auf. Sie kannte die Tonlage und wusste, das war kein Spass.
Während sie auf Verstärkung wartete, streichelte sie die kleine Ziege, die sie so verzweifelt gerufen hatte und suchte gleichzeitig nach dem Stromverteiler am Zaun. Das Zämmchen (Lämmchen, aber eben einer Ziege, ist klar oder?) stand blöd und bekam mit jedem „Knack“ einen Schlag versetzt. Tränen der Wut und des Mitleids rannten über ihre Wangen. Für ihre Ungeduld und ihren Zorn über die Hilfe rufende kleine Ziege schämte sie sich nun in Grund und Boden.
Ihre Mutter kam gerannt und sie rief ihr von weiten entgegen: „Menschen sind widerlich. Du kannst über den Zaun klettern, den Strom habe ich aus gestellt.“

Gemeinsam schnitten sie die Ziegen Stück für Stück aus ihrem drahtigen Gefängnis, beruhigten, streichelten und schimpften über den Müll um die Wette. Alles, was im Licht aufblitze, räumten sie grob bei Seite, reinigten, so gut es ging, die Verletzungen und beobachteten die Atmung. Beide standen ruhig beieinander, beide zitterten. Auch die Ziegen.
„Wenn sie die Nacht packen, wirds was. Mehr können wir nicht tun.“
Das Urteil ihrer Mutter gefiel ihr nicht, aber sie wusste, sie hatte Recht.
Mit wild pochenden Herzen gingen sie zurück nach Hause. Irgendjemand hatte seine Tiere heimlich im Müll geparkt und sie dort unbeaufsichtigt und ohne Wasser stehen lassen. Sie überlegten, das Ordnungsamt zu rufen, wussten jedoch, wirklich was erreichen würden sie nicht.


Immerhin standen am nächsten Morgen alle Ziegen auf ihren Beinen, meckerten freundlich, als sie die Brottüte erblickten und sprangen mutig auf sie zu. Nach 45 min Entrümpeln hatte die Herde einen sicheren Auslauf und Platz zum Abfressen des kargen Schattenplätzchens.
Und die Moral von der Geschicht: Nicht wütend werden, wenn ein Tier im Dunkeln ruft, meistens hat es dann ein Problem. Und: Werft bitte keinen Müll umher.

PS: Bitte esst auch keine Oster Zämmchen. Es gibt schönere Bräuche zum heutigen Tag. Danke und friedliche Ostern euch Lieben ♡
© 2020 hollingtonsmum
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